Das Orginal Friedberger Burgfestmännchen

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   Dietrich Kittner
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9. Friedberger Burgfest 7.7.1984

Um es kurz vorweg zu sagen: Für mich macht Kittner das politisch bedeutendste und relevanteste Kabarett unserer Zeit. Er manikürt nicht an der Gesellschaft herum, er seziert sie. Er ist Einzelkämpfer und Partisan, der sich wesentlich weiter vorwagt auf feindliches Terrain, als alle etablierten - früher mal politischen - Kabaretts zusammen. Er gehört zu den gewiß nicht zahlreichen politischen Aufklärern in diesem Lande, denen es gelingt, die von Brecht bezeichneten "fünf Schwierigkeiten beim Vertreiben der Wahrheit" zu überwinden. Er hat "den Mut, die Wahrheit zu sagen, obwohl sie allenthalben unterdrückt wird; die Klugheit, sie zu erkennen, obwohl sie allenthalben verhüllt wird; die Kunst sie handhabbar zu machen als Waffe; das Urteil, jene auszuwählen, in deren Händen sie wirksam wird; die List, sie unter diesen zu verbreiten." Kittner hat so ganz und gar nichts von aufgesetzter modischer Attitüde. Er unterscheidet sich wohltuend von einzelnen linken Troubadouren, die einen auf links machten, als links in und schick wurde und den Mund voll nahmen mit revolutionsromatischem Pathos.

Kittner verdient den Ehrentitel "Radikaler im Öffentlichen Dienst". Ein Radikaldemokrat, der analysiert, argumentiert, Vorurteile und Fehlverhalten auch und gerade Konservativen erkennbar macht.

Kein Aufheizer, Dampfablasser und Bürgerschreck. Kittner versteht sein Kabarett als Instrument der Aufklärung. Auch manche Linken - für die Lachen an sich schon oft Frevel und Sakrileg ist - können von Kittner lernen. Er bringt die Leute an den richtigen Stellen zum Lachen, das heißt, auf Kosten der Richtigen, auf Kosten der Machthaber in diesem Land.

Die Ironie des Dietrich Kittner ist als Waffe der Unterdrückten gegen ihre Beherrscher verwendbar. Diese Ironie kann verunsichern, Respektlosigkeit hervorrufen, Mächtige zu selbstentlarvenden unbedachten Reaktionen provozieren, Denkmäler - wenn nicht gleich umstürzen - so doch zum Wackeln bringen.

Kittner betrachtet die Dinge aus der Perspektive der Veränderung, läßt durchblicken, wie besser es sein könnte, fragt gleichzeitig nach Ursache und Verantwortlichkeiten, weshalb es so bedrückend ist. Er schaut nicht nur dem Volk auf's Maul, sondern nimmt die Herrschenden und die herrschende Ideologie beim Wort. Das, was Böll einmal "Wörtlichkeitslehre" genannt hat, wendet Kittner zum Zwecke von Klarstellung, Überprüfung und Demaskierung an.

Eine andere List Kittners, um Vorurteile und Verhetzung raus und demokratisches Denken in die Köpfe reinzuzwingen, besteht darin, daß er Borniertheiten und Vorurteile bis zum Überdruß und überpointiert herunterleiert, auf daß sie denen zum Halse heraushängen, die davon besessen sind.

Je mehr der propagierte Rechtsdruck an Schulen und Universitäten um sich greift und je mehr Meinungsfreiheit und -vielfalt in unseren Zeitungen wegrationalisiert werden, um so mehr tut Kittner not.

 

Günter Wallraff

 

Quelle: Burgfest-Programm Nr. 9